Ein Gentleman gegen den Moloch

Apirak Kosayodhin hat in einem Jahr als Gouverneur Bangkoks viele seiner Ziele realisiert und Bangkok lebenswerter gemacht. Noch hat er viel vor, doch der Demokrat hat einen mächtigen Gegner – die Regierungspartei…
An der Haltestelle formen sich erstaunte Grüppchen vor den adretten Anzeigetafeln. Die Passagiere werden genaustens über die Ankunftszeit der Busse, die sie nach Hause bringen, informiert. Die Busse selbst sind mit GPS ausgestattet, das die Benutzer wissen lässt, wie lange die Heimfahrt noch dauert. Die Fahrer selbst werden über Staus auf ihrer Route unterrichtet.
Der Testlauf der ersten „smarten“ Bushaltestelle war ein voller Erfolg. Nun richtet die Stadtverwaltung die nächsten zehn Stopps ein. Bis zum Ende dieses Jahres sollen es 150 werden. Das Projekt ist nur eins von vielen, durch die der Gouverneur Bangkoks, Apirak Kosayodhin, die Lebensqualität der Bangkoker steigern will. Es folgen smarte Taxistände und Ampeln.

Novum Bürgerberatung
Ein städtisches Zentrum für Haushaltsberatung wurde im Mai eröffnet. Finanzexperten informieren hier Geringverdiener kostenlos über Kostenüberwachung. Von Schuldnerberatung über Lebensversicherungen bis zu Finanzplanung reicht die breite Angebotspalette. Ein Kollege Apiraks kam auf die Idee, als er eine Straβenverkäuferin beobachtete, die ihren Umsatz bündelweise in Plastiktüten stopfte, weil sie arrogante Bankangestellte fürchtete. Experten loben die Eröffnung des Zentrums durch Apirak, gerade in Zeiten, in denen die Landesregierung ihre Bürger zum Geldausgeben aufruft.
Aber nicht nur Finanzberater sind voller Lob für den jungen Gouverneur. Auch die Bürger Bangkoks finden, dass er sich in der kurzen Zeit, in der er das Amt innehat, bewährt hat. Der dynamische Demokrat ist seit exakt einem Jahr Statthalter Bangkoks. Er besiegte damals erdrutschartig eine Marionette Thaksins – nachdem er sich in zwei Monaten fünf Kilo antrank. Parteifreunde hatten ihm geraten zuzunehmen, denn der schlanke Apirak wirkte zu jung, zu unerfahren.

Visionen für die urbane Katastrophe
Apirak hatte im kommunalen Wahlkampf einiges versprochen. Seine Lieblingsthemen waren die Säuberung und Begrünung Bangkoks. Auch wollte er das Verkehrschaos bekämpfen. Ein Jahr später ist der urbane Moloch dank gewissenhafter Abfallwirtschaft und Schadstoffbekämpfung ein wenig sauberer. Schulen wurden aufgerüstet, Kitas und Parks wurden eröffnet, städtische Arbeitsplatzförderung und der öffentliche Dienst vorangetrieben. Nun nimmt er sich den Verkehr vor.
Dies schaffte Apirak nur durch seinen Arbeitsstil, der eher dem eines Vorstandsvorsitzenden ähnelt als dem eines Politikers, der auf Parteilinie schwört. Zwar ist er weiterhin stellvertretender Parteiführer, aber er verhält sich objektiv. Beeinflussung, Bestechung und Ausbeutung zugunsten seiner Partei sind ihm fremd – Apirak gilt als Gentleman. Dies lässt einige seiner Parteikollegen bangen; vielleicht behält er seine politische Reserviertheit bei zukünftigen Wahlen und lässt sich nicht als Stimmenfänger einsetzen.

Lob – nicht von allen Seiten
Apirak hat auch Kritiker. Es fehle an Initiativen, sagen diese, an Möglichkeiten aktiver Bürgerpartizipation. Einige befürchten, dass Apirak mit seinen Business-Methoden eine passive Stadt errichtet, die Bürgerkollektivität misst. Doch vielleicht sind das zu hoch gesteckte Ziele. Immerhin leitet er mit der Stadtverwaltung eine immense, träge und konservative Organisation. Als Demokrat erhält er kaum Unterstützung durch die Partei des Premiers, Thaksin Shinawatras, bei der Durchsetzung seiner Politik.
Thaksins Partei ist sein gröβter Feind. Das derzeitige abstruse Zetern um öffentliche Verkehrsmittelprojekte hindert den Gouverneur zwar an der Realisierung seiner Pläne. Doch böse Schläge versetzt die Thaksin-Partei dem Gouverneur mit den Mega-Projekten nicht. Die Bangkoker verstehen, dass er recht wenig gegen Thaksin und seine Vasallen machen kann. Apirak bleibt ruhig und gelassen auf städtischer Ebene. Er will seinen Job richtig machen. Mehr nicht.

Patrick Tippelt, Bangkok

 

 

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