Pom und die Hochzeit

Pom ist eine Nichte von Da. Sie ist 22 Jahre alt und arbeitet als Sekretärin für einen Anwalt. Am 5. November hat diese Pom nun geheiratet. Einen 28jährigen Polizisten. Man muss dazu sagen, dass ihr Vater Komet (der heisst wirklich so!) auch Polizist ist. Ein ganz normaler Streifenpolizist. Also, der Bräutigam von Pom heisst Pot. Und alle wohnen im Heimatort von Da, in Chumpuang. Dorthin gelangt man über eine Autostrasse. Aehnlich Autobahn, aber allen Verkehrsteilnehmern offen. Vom Fussgänger über Kinder-Dreirad, Eselskarren usw. bis zum hochmodernen, klimatisierten Linienbus. Es ist schon deshalb keine Autobahn in unserem Sinn, weil sie streckenweise übersäht ist mit Schlaglöchern. In manchen könnte man baden, so gross sind die. Also gut, wir nehmen den Weg mit Schwester Tom und deren Sohn Bom unter die Räder. Unser Auto hat ja 7 Plätze. Also reisen wir sehr bequem.

Es ist gegen Mittag. Meine herzallerliebste kleine Frau Da sagt, es sind schon alle Anderen dort. Zum Helfen. Eine Hochzeit gibt viel zu tun. Und es werden bis zu 450 Personen erwartet.

Nach einer guten Stunde Fahrt sind wir dort. Alles nochmal gut gegangen. Die Fahrerei hier ist schon eine nervenaufreibende Sache. Als wir aus dem Auto klettern, bricht das grosse ‚Hallo‘ über uns herein. Die kennen sich ja alle. Ausser mir. Ich habe die noch nie gesehen. Ich erkenne in der Masse Mat. Er winkt mir zu. Ich mache artig meine ‚Wai’s‘ und begrüsse Hinz und Kunz. Oder wie sie hier immer heissen mögen. Ich habe mich zu den Gastgebern Tim – Schwester von Da – und besagtem Komet (der heisst wirklich so – aber das habe ich ja bereits angemerkt…) durchgekämpft und ein paar artige Floskeln ausgetauscht. Wasser! Wasser! Temperatur so um 35 Grad. Von allen Seiten wird mit Cola, Wasser, Whisky und sonst noch so dubiose Flüssigkeiten gereicht. Ich nehme sie alle, um nicht jemand vor den Kopf zu stossen.

Das sieht da ja aus wie ein Restaurant. Der Garten ist leergeräumt. Auf dem Rasen steht ein Zelt. Viele Tische und Stühle. Ich zähle so ca. 60 Plätze. Auf meine stirnrunzelnde Frage, wo denn morgen Sonntag die restlichen 400 Menschen verköstigt werden, erfahre ich, dass wir dann in eine Sporthalle der nahen Schule dislozieren werden. Na gut.

Irgendwann hält ein klappriger Lastwagen vor dem Haus. Es werden Lautsprecherboxen ausgeladen. Und ausgeladen. Und ausgeladen. Ein Podest wird errichtet. Ein Verstärkerturm wird aufgebaut. 2000 Watt Leistung. Mir schwant fürchterliches. Die Strasse vor dem Haus ist jetzt zugebaut mit einem Lautsprecherturm. Noch haben wir keinen Strom. Zum Glück! Es werden Lampen installiert, Kabel gezogen, auf dem Dach rumgekrochen. Einer der Männer durchsticht an einigen Stellen die Isolation des Stromkabels mit Sicherheitsnadeln und dreht daran die Kabel der Lampen fest. Alles so 2 Meter über dem Boden. Jeder Lebensmüde hätte seine helle Freude an dieser Installation. Aber es funktioniert. Der Strom wird eingeschaltet. Irgendwo an einem Strommast ist das Kabel an die Leitungen angeschlossen worden. Das Zelt ist jetzt beleuchtet. Und jetzt dröhnt Thai Musik aus dem Lautsprecherturm. Fürchterlicher Lärm zwingt die vorne sitzenden Gäste in die hinteren Regionen. Ich gehe hin zu diesem Zwerg und frage, ob man das nicht auch in erträglicher Lautstärke haben kann. Antwort: wenn es nicht laut ist, ist es nicht gut. Ich entscheide mich zur Zurückhaltung und verdufte in grössere Entfernung.
Es ist jetzt schon Nachmittag. Viele fleissige Frauen wieseln in Tims Küche herum, tragen Wasser hin und her. Dazwischen ein paar Kleinkinder, Hunde und ein paar Hennen. Wo Hennen sind, ist auch ein Hahn nicht weit. Ah, da sitzt er ja auf der Gartenmauer und beäugt das Ganze misstrauisch. Soviele Leute auf einem Haufen hat der wohl noch nie gesehen. Und so einen Lärm sicher auch noch nie gehört.

Wir sitzen so in Gruppen zusammen. Natürlich am Boden. Wie es sich in Thailand gehört. Die Whisky Flaschen kreisen. Der Zustand der männlichen Gäste wird immer bedenklicher. Ich kann mich nur mit Mühe vom Alkohol fernhalten. Der ‚Farang‘ drinkt keinen Alkohol töne ich in die Runde. Damit es alle endlich kapieren.

Ich sehe einen, der aussieht wie der Bräutigam. Er ist noch normal angezogen. Jeans und so. Wir machen uns bekannt. Ich frage nach seinem Job, seiner Familie und so. Make Friends! Sein ‚Trauzeuge‘ ist schon mit 3 bis 4 Promille im Himmel. Er sitzt neben mir. Versucht seine spärlichen Englischkenntnisse an den Mann zu bringen. Aber ich verstehe nur Bahnhof. Seine Zunge gehorcht offenbar nur noch dem Schluckreflex.

Pot kennt Pom erst ungefähr 2 Monate. Die Eltern haben alles klar gemacht. Die Kinder werden hier nur nebenbei in die Entscheidung mit einbezogen. Normalerweise zahlt der Vater des Bräutigams an die Familie der Braut so um die 30000 Baht. Wahrscheinlich für ein schönes Mädchen ein bisschen mehr. Ich erfahre, dass er 50000 Baht bezahlt hat. So schön finde ich sie nun auch wieder nicht. Aber niedlich. Die Braut setzt sich zu uns. Es ist ihr offenbar peinlich, dass der Freund von Pot so zugedröhnt ist. Aber ich mache ein paar doofe Sprüche und sie ist zufrieden.

Langsam wird es abend. Ich habe sicher so 3 Liter Cola und sonstiges intus und mich mit den faul herumsitzenden Männern erschöpfend über meine Sprachkenntnisse unterhalten. Für tiefere Themen sind die alle bereits ‚über dem Jordan‘. Das Lieblingsgetränk ist ganz klar der Whisky. Ein furchtbares Gesöff. Made in Thailand.

Es ist jetzt Winter in Thailand. Am Abend wird es empfindlich kühl. So gegen 18 Grad. Die Thais holen ihre Pullover, Wollmützen und Handschuhe aus ihrem Gepäck. Das sieht zum Schreien aus. Ich in kurzen Hosen und T-Shirt. Mit mir und der Welt zufrieden. Und der restliche Haufen rennt herum wie Eskimos.
Der Tag geht zuende. Meine herzallerliebste kleine Frau Da und ich dürfen im Schlafzimmer von Teo schlafen. Ein tolles Privileg. Alle anderen schlafen irgendwo wo Platz ist am Boden. Ich muss den Wecker unseres Handys auf 6 Uhr stellen. Weil um 7 Uhr der Abt des nahen Thai-Tempels mit 8 Mönchen auftauchen wird. Dann findet die eigentliche Hochzeitszeremonie statt. So früh?
Wir schlafen sehr gut. Der bereits erwähnte Hahn weiss offenbar von der bevorstehenden Zeremonie und weckt uns vor dem Handy. Alles Gut. Ich gehe Duschen und mache mich hübsch. Oder versuche es. Alle Anderen sind auch schick angezogen. Die Frauen zumindest. Jede hat versucht, das Beste rauszuholen. Mit unterschiedlichem Resultat. Die Nachbarn, welche natürlich zuhause genächtigt haben strömen nun in Scharen zum Haus von Komet (der heisst wirklich so – ach das hatten wir ja schon….) und Tim.
Das Wohnzimmer ist jetzt zum Tempel umfunktioniert. Hat irgendwer in der Nacht wohl gemacht. Auf jeden Fall sehr schön. Ein Schrein steht in der Mitte des Zimmers. Davor zwei Kissen. Hinter dem Schrein sitzt der inzwischen eingetroffene Luang Por (Abt des Tempels) sowie 8 Mönche im Lotussitz in ihren gelben Gewändern. Alles sehr feierlich. Pot und Pom kommen herein. Sie sieht sehr schön aus. War sicher einige Stunden im Beautysaloon. Sie trägt ein Thai-Kleid aus Seide. Pot kommt im weissen Anzug. Schick sieht er aus mit seinen abstehenden Ohren und den kurzen Haaren. Sie knien hinter dem Schrein auf die Kissen. Neben Pot und Pom knien die Eltern links und rechts neben ihren Kindern.

Der Abt betet, es werden Glücksfäden gespannt, die Mönche singen. Alles mit Lautsprecher ins Freie übertragen. Nach ungefähr einer halben Stunde ist alles vorbei. Der Abt und die Mönche ziehen von dannen. Jetzt übernimmt der Zeremonienmeister das Kommando. Uebrigens ist der Trauzeuge immer noch besoffen. Hat vielleicht ein paar Promille weggeschlafen. Aber er sieht fürchterlich aus. Er blinzelt mir zu. Das kann er offensichtlich wieder.
Jeder Gast wäscht nun hintereinander die Hände des Brautpaares und wünscht mit ein paar Worten viel Glück für die gemeinsame Zukunft. Uebrigens dröhnt jetzt die Musik wieder nahe der Schmerzgrenze. Man versteht sein eigenes Wort nicht. Ich kann also in irgend einer Sprache ein paar Floskeln loswerden. Die können eh nichts hören.

So gegen 11 Uhr ist alles vorbei und wir können endlich etwas essen. Im Gartenzelt wird nun aufgetischt. Jede Menge Köstlichkeiten. Schmeckt wirklich hervorragend. Wer immer das gekocht hat, hat seinen Job gut gemacht. So sitzen wir bis gegen Abend in wechselnder Gesellschaft an den Tischen und schnabulieren, erzählen, lachen und haben es gut.

Der Abend naht. Ich muss mich schon wieder umziehen, sagt meine herzallerliebste kleine Frau Da. Also gut. Mache ich. Ich wechsle von schwarz auf weiss. Bewerfe mich mit Deo und schlüpfe in ein neues Hemd. Gar nicht zerknittert, fällt mir auf. Aha, das hat jemand noch gebügelt. Irgendwann. Prima! Wir gehen nun in die nahe gelegene Sporthalle der Schule. Alles schön gemacht. Viele Tische mit schönen Tischtüchern und Blumen. Eine Bühne mit Mikrophonen. Im Hintergrund entdecke ich ein Mischpult, Computer und einige Keyboards. Vor der Halle – ich muss noch erwähnen, die Hallen hier haben keine Seitenwände, wegen der besseren Belüftung – stehen jetzt zwei solche Lautsprechertürme. Ohne Uebertreibung hätte es für das Basler St. Jakobstation gereicht. Es ertönt Musik ab Band. Natürlich traditionelle Thai-Musik wie bei Komet (der heisst wirk….) und Tim zuhause.

Es gibt zu Essen, das Brautpaar muss ein paarmal auf die Bühne. Vater der Braut, eben Komet (der heis…) und der Vater von Pot halten eine kurze Rede. Vor allem Komet. Und wir bringen dem Brautpaar unsere Geschenke. Wir haben uns für Geld entschieden, weil wir keine Ahnung haben, was die brauchen könnten.
Ich sitze also gemütlich am Tisch. Geniesse das gute Essen und die angeneheme Tischgesellschaft. Da höre ich meinen Namen vom Zeremonienmeister über diese immense Verstärkeranlage. Was, wie, wo? Ich werde also auf die Bühne gezerrt und soll nun karaokemässig etwas darbieten. Oh, oh. Also spreche ich mit mit dem Tonmeister ab und wir einigen uns auf ‚My Way‘. Nur einen Titel. Okay…. Ich spreche kurz zu den mittlerweise 500 Gästen, erkläre, dass ich keinen Thai-Song singen kann und sie deshalb mit einem englischen Titel belästigen muss. Ich sagte auch, dass ich eigentlich völlig unvorbereitet vor ihnen stehe. Aber die Thais sind ja so freundlich. Es wird geklatscht und gelacht. Ich habe doch noch gar Nichts gemacht?

Ich trällere also My Way so gut ich kann. Wirklich erhebend so mit Open Air Ambiente und 6000 Watt im Rücken die eigene Stimme mit einer halben Sekunde Verzögerung zu hören… Es werden mir Rosen gereicht, die Leute stehen Schlange vor der Bühne. Ich habe das bei Udo Jürgens gesehen. Ich gehe artig an den Bühnenrand, mache meine Wais und nehme die Blumen entgegen. Ein schönes Gefühl. Einer streckt mir sein Whiskyglas entgegen. Auch daraus nehme ich anstandshalber einen Schluck.

Stecke das Mic zurück auf den Mikrophonständer. Nichts da! Die wollen eine Alles gut gegangen, ich Zugabe. Aber ich kann doch nur My Way….. Der Musicman hat blitzschnell Cotton Fields geladen und startet auch schon den Soundtrack. Ich gebe mein Bestes und rocke auf der Bühne herum was das Zeug hält. Ich mache den Clown. Aber das ist halt jetzt mein Schicksal, denke ich. Auch dieser Song geht mal zuende und ich schaue das ich nach ein paar Kop khun krap’s die Bühne verlasse. Das Spiessrutenlaufen zurück an meinen Platz erspare ich mir und gehe hinaus an die frische Luft.

Gegen Mitternacht verabschieden wir uns von ungefähr 200 Leuten. Zum Glück geben sich die hier nicht die Hand sondern machen das Remote mit Verbeugung. So erspare ich meiner Rechten Hand, 200 mal geschüttelt zu werden. Es war ein glückliches und interessantes Wochenende. Die Reise zurück geht problemlos. Ich habe ja Nichts getrunken. Wahrscheinlich bin ich der einzige nüchterne Verkehrsteilnehmer…So kommen wir gegen 1 Uhr am Montag Morgen in Korat an. Und die Hochzeit von Pom und Pot ist für uns Geschichte. Eben, diese Geschichte.

UB.

 

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