Es gibt Themen, da bleibt mir der Humor irgendwie im Hals stecken. Einerseits, weil sie entweder kaum Ansätze für humorvolle Betrachtungen liefern oder weil es schwierig ist, gleichzeitig den Kopf zu schütteln und in brüllendes Gelächter auszubrechen. Ich will in dieser wahren Geschichte von Sank erzählen. Sank ist ein Junge von ungefähr 18 Jahren. Er lebt im wohlbehüteten und auch wohlhabenden Elternhaus. Geht noch zur Schule und ist das, was man so allgemein als ‚guter Junge’ bezeichnen würde. Hilfsbereit, liebt die Tiere (eher selten für Thailänder) und macht sein Zimmer alleine sauber. Auch sein Aeusseres ist gepflegt und überhaupt nicht hässlich. Also ein Sohn wie man ihn sich als Vater und Mutter nur wünschen kann. Und entsprechend Stolz sind seine Eltern auch auf Sank, dem zukünftigen Arzt.

Eines Tages kommt Sank zu seiner Mutter und erzählt ihr, dass er Männer mehr liebt als Frauen. Und das schon seit einigen Jahren. Die Mutter schockiert. Bricht in Tränen aus: ‚Wie kannst Du mir das nur antun, mein Junge!’. Und nach ein paar tiefen Schluchzern: ‚Warte nur, bis das dein Vater erfährt. Der wird dir was erzählen!’. Sank sitzt wie ein Häufchen Elend neben seiner Mutter. Er hatte auf etwas mehr Verständnis gehofft. Schliesslich weiss er als aufgeklärter Gymnasiast, dass schwulsein keine Krankheit ist. Oder gar dem Willen unterliegt. Aber kein Zeichen von Zuneigung von seiner Mutter. Als Sank ihr seine Hand auf den Unterarm legt, streift sie sie ab. Auch seine nach Wärme heischenden Blicke erwiedert sie nicht.

Sank vergräbt sich in seinem Zimmer. Die Mutter hängt irgendwo herum. Sie wartet auf den Abend, wenn der Vater von der Arbeit kommt. Das Auto naht, Vater steigt aus, aktiviert die Wegfahrsperre: ‚Blupp Blupp’. Mutter eilt ihm entgegen: ‚Du unser Sohn ist schwul, Vater’. Und fängt wieder an zu schluchzen. Nachdem sie einige weitere Worte mit Vater gewechselt hat, tönt er: ‚Das darf doch wohl nicht wahr sein. Dem werde ich was erzählen.’ Und eilt die Treppen hoch. Durch die verschlossene Türe kann man Sätze hören wie: ‚…eine Schande für die ganze Familie…..die Nachbarn werden über uns sprechen…..mein Chef wird denken: ‚von wem er das wohl hat??’….man kann ja nirgendwo mehr hingehen mit dir……und das uns!’. Und so weiter….

Natürlich wird sofort den Grosseltern telefoniert, die Geschwister in Kenntnis gesetzt und dem Hund verboten, sich Sank um weniger als 3 Meter zu nähern. Schwulität könnte ja ansteckend sein….Für Sank bricht eine Welt zusammen. Er selber hatte schon längere Zeit mit sich gekämpft. Er kennt ja die intollerante Haltung der Thailänder zu seinem ‚Problem’. Was soll er bloss tun? Es wird Nichts mehr sein wie vorher.

Sank hat auch eine Schwester. Sie lebt nicht im gleichen Ort wie Sank und die Familie. Die Mutter ruft die Schwester an und berichtet ihr vom Ungemach ihres geliebten Bruders. Die Schwester, ich nenne sie mal Nitta, ist schon etwas traurig, ob dieser Hiobsbotschaft. Doch sie findet die richtige Einstellung zu Sank. Schliesslich ist sie ja als Studentin der Naturwissenschaften in der Lage, die Situation zu begreifen. Versucht die Mutter zu beruhigen. Erzählt ihr von den Gründen, die die Natur dazu verleiten, eine ‚Fehlschaltung’ wie bei Sank zu verursachen. Das Problem ist nur, dass die Mutter und der Vater solche Erklärungen nicht akzeptieren. ‚Willst du junge Gäre uns belehren? Schau lieber zu, dass du einen guten Beruf erlernst. Du hast ja noch Schimmelpilz hinter den Ohren…’. Oder so.

Nitta telefoniert mit Sank und versichert ihn ihrer schwesterlichen Zuneigung. Balsam für die geschundene Seele von Sank. Sie bestärkt ihn, seinen Weg zu gehen. Nicht vor den Konventionen der Gesellschaft zu kapitulieren.
Warum ich diese Geschichte erzähle? Nun, in Thailand ist jede Abweichung von der Norm nicht gern gesehen. Es muss so sein wie es normal ist. Und was normal ist, bestimmt die hiesige Gesellschaft mit ihrem übertriebenen Schamgefühl. Oder dem Drang, dem Anspruch der Gesellschaft unbedingt genüge zu tun. Viele schwule Männer kommen mit ihrem ‚abnormalen’ Leben nicht zurecht. Oft fühlen sie sich als Frau in einem Männerkörper. Das führt dann dazu, dass sich Schwule in einen Frauenkörper flüchten. Kliniken, welche solche ‚Umbauten’ vornehmen, gibt es hier jede Menge. Die Preise sind so hoch, dass mancher Mann sich hoch verschuldet, um vermeintlich dem Dilemma zu entkommen. Und hofft auf ein neues, freieres Leben nach der Wiedergeburt im Frauenkörper.

Uebrigens werden hier alle Schattierungen von Geschlechtsoperationen vorgenommen. Letztlich bis hin zur echten geschlechtlichen Verwandlung. Mit dem Skalpell und Hormonen werden Frauenkörper gezimmert. In vielen Fällen sehr erfolgreich. Diese schönen ‚Frauen’ (man nennt sie hier Ladymen) sind oft nur sehr schwer von geborenen Frauen zu unterscheiden. Nicht von ungefähr hat die vorletzte Miss-Thailand Wahl ein Ladyman gewonnen. Allerdings wurde ihr der Titel wieder aberkannt, nachdem sie sich im Fernsehen öffentlich geoutet hatte..

Wie das Beispiel von Sank zeigt, scheint vor allem bei der jüngeren Generation in Thailand ein Umdenken in Gang zu kommen. Die Aufklärung in den Schulen und sogar im Fernsehen trägt das ihre dazu bei, dem Nachwuchs der Gesellschaft die richtige Einstellung zu solchen und anderen Situationen zu verschaffen. Situationen die nur mit Toleranz, Akzeptanz und Verständnis gemeistert werden können…

UB.