Strandsäuberung als verdeckter Schlag gegen die Mafia

PHUKET: Seit Monaten steht an den meisten Stränden Phukets sprichwörtlich kein Stein mehr auf dem anderen. Seit die Militärregierung die Säuberung von illegalen Bauten, nicht autorisierten Händlern und sogar von Liegestühlen und Sonnenschirmen angeordnet hat, geriet die heile Welt vergangener Jahre ins Wanken. Begeisterung und Kritik prallen aufeinander und nicht minder die Interessen der Militärregierung und der einstigen Geschäftemacher an Phukets teuren Sandstränden.

In thailändischen Medien sorgen die brachialen Bagger-Einsätze seit Monaten für Schlagzeilen. Auch in der Schweiz und in Deutschland steigen große Zeitungen und Illustrierte in das Thema ein – wie jüngst das Hamburger Nachrichtenblatt DER SPIEGEL. In der aktuellen Ausgabe ziehen die Autoren Bilanz: ‚Bagger gegen Liegestühle‘ heißt der Titel, und es wird nicht unkritisch reflektiert, dass Phukets Strände mit der zuletzt erfolgten Abrissaktion am Surin Beach frei sind von wilden Bauten und wildernden Händlern.

Nicht jedem gefällt das, vor allem nicht denjenigen, die sich jahrzehntelang mit lukrativen, aber illegalen Mieteinnahmen die Taschen vollstopften. Im Grunde wusste auf Thailands größter Ferieninsel jeder, dass sich mafiöse Familienclans mit Hilfe der Verwaltungen und Politik die Filetstücke am Strand einverleibten und mit horrenden Wuchermieten die Milliarden in ihren Taschen mehrten – und damit ihre Macht.

Als im Juni 2014 der Polizeichef der südthailändischen Region 8, Generalmajor Panya Mamen, der Taxi- und Tuk-Tuk-Mafia auf Phuket den Krieg erklärte, hielten sich viele der Protagonisten und ihre Helfershelfer für unangreifbar. Das änderte sich, als eine von Polizei und Militär koordinierte Aktion am 26. Juni einige Hundert der Übeltäter hinter Schloss und Riegel brachte. Von diesem Tag an fing alles an anders zu sein. Die Polizeikräfte vor Ort wurden von Bangkok und Surat Thani aus angewiesen, erbarmungslos gegen Taxiunternehmer vorzugehen, die ihre Kunden beim Fahrpreis übervorteilten und bei Protesten misshandelten.

Was hat das Problem der Taximafia auf Phuket mit den Strandsäuberungen zu tun? – Sehr viel, denn damals verriet der Polizeibeauftragte Mamen im internen Kreis, dass an einer langfristigen Strategie gearbeitet werde, um den Mafiasumpf trocken zu legen. Mamen’s Familie wurde bedroht, ungeachtet der Tatsache, dass er Südthailands einflussreichster Polizeioffizier war. Panya Mamen wusste um die Ernsthaftigkeit solcher Drohungen und ließ sich versetzen. Selbst Polizeigeneräle sind im eigenen Land nicht sicher, wenn sich lokale Mafia-Potentaten gegen sie verschwören.

Kennern der Situation auf Phuket dämmerte schon damals, dass sich die Polizeispitze Thailands und die Militärregierung durch solche Gebärden nicht einschüchtern lassen werden. Schnell reifte dort die Erkenntnis, dass einzelne, abkommandierte Antimafia-Kämpfer einem zu hohen Risiko ausgesetzt sein könnten. Die einzige Chance sahen die Väter der heutigen Räumungsaktionen in einer nachhaltigen Trockenlegung der Finanzströme.

Keine Mieteinnahmen durch Taxifahrer, kein Geld mehr von Strandbarbetreibern und Liegestuhl-Kleinunternehmern, keinen Baht mehr von den armen Teufeln, die am Strand Früchte und Eiscreme feilboten und manchmal von korrupten Aufsehern um ihre ganzen Tageseinnahmen erleichtert wurden. In der Nachhaltigkeit liege der Erfolg – wenn nötig auch auf Kosten der Touristen, lautete die unausgesprochene Devise.

Die nachfolgende Kritik internationaler Medien, unterstützt durch authentische Berichte europäischer Touristen, denen an den Stränden von Phuket Sonnenschirme und Liegestühle faktisch unter dem Allerwertesten weggezogen worden waren, verstummte nicht mehr. Für viele Urlauber, in erster Linie Familien mit Kindern, schien das unbarmherzige Vorgehen thailändischer Staatsträger in eine touristenfeindliche Agitation auszuarten. In Internetforen und sozialen Netzwerken schworen nicht wenige erzürnt ihrem Lieblingsurlaubsziel ab: „Nie wieder Phuket, nie wieder Thailand!“

Das änderte nichts an der Strategie: Dass die Säuberungen der Strände auf Phuket trotz des internationalen Gegenwindes nur ein Anfang waren, wird immer deutlicher. Längst stehen weitere Destinationen wie Koh Samui, Khao Lak und Pattaya im Visier der Armeeregierung. Die Unruhe steigt. Wer könnte als nächstes dran sein? Wen wird es erwischen? Alle Hotels und Restaurants an Stränden oder nur die vielen illegalen Beton- und Bretterbuden, die sich metastasenhaft in den Sand gegraben haben? Thailands Armeeführung und der Nationale Rat für Frieden und Ordnung (NCPO) ließen unüberhörbar anklingen, dass Phuket ein Anfang war und nicht das Ende.

Die Reaktionen werden noch kontroverser und wütender werden. Richtig oder falsch, angemessen oder touristenfeindlich – eine objektive Antwort ist unmöglich. Natürlich war es bequem, sein Bier am Strand zu trinken, sich in einen der tausenden von Liegestühlen zu fläzen, den Schirm auf, den Cocktail und die frischen Früchte vom ‚Strandbutler‘ angeliefert. Wenige kratzte die Realität: „Ich habe nur Urlaub und da möchte ich es so bequem wie möglich haben.“

Dass so viel mehr dahinter steckt, dass sich die Hydra der Inselmafia mit unstillbarer Gier nährte, ihre Günstlinge protegierte und andere von der Lebensader abtrennte – nach Gutdünken und in Cosa Nostra-Manier, wer traute sich das laut zu denken? Es war ein geduldetes Spiel, bei dem viel Geld unter dem Tisch floss. Kritik konnte tödlich sein. Diejenigen, die auf Phuket Gesetze durchsetzen sollten und die Sicherheit gewährleisten, saßen selbst an den Futternäpfen…

Die nahe Zukunft wird zeigen, wie sich Thailands Tourismusverbände mit den zu erwartenden Folgen weiterer Räumungen auseinandersetzen. Wenn Phuket erst der Anfang war und Koh Samui und weitere Destinationen folgen, dann gerät Thailands wichtigster Devisenbringer in Seenot. Wieder werden die Touristen nicht verstehen, weshalb man ihre Idylle mit Baggern bekämpft. Und wieder werden treue Feriengäste ihre Koffer packen und drohen, nicht wieder zu kommen.

Es mutet an wie ein Teufelskreis, in den sich die Armee mit ihrer harten Gangart katapultiert hat. Wird der Preis zu teuer? Wer wagt das heute zu beurteilen? Es geht nicht allein um Feriengäste aus aller Welt, es geht um Thailands Zukunft.

Sam Gruber (Der Farang)

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