Akkord im Dschungel

Mit Drogen gedopt, schlecht ernährt und geschunden – Thailands Arbeitselefanten sterben aus…

Eines Morgens verweigerte Yuyi den Dienst. Statt wie sonst rege hin- und herzuwandern, blieb er apathisch liegen. Kurze Zeit später war er tot. Die Obduktion ergab, daß Magen und Leber des zweijährigen Elefanten durch falsche Ernährung schwer entzündet waren. „Ich konnte ihm nicht helfen“, bedauert der Veterinär Sittidet Mahasavangkun.

Yuyi wurde Opfer seines Berufs. Zu früh von der Mutter getrennt, mußte das Elefantenkind vor dem Sheraton-Hotel im thailändischen Ferienzentrum Phuket Touristen begrüßen. Die Gäste waren entzückt, doch Yuyi ertrug seine rüsselschwenkende Rolle nicht lange. Vereinsamt und nicht ausreichend mit Muttermilch, Bananen und Zuckerrohr gefüttert, brach er zusammen.
Das Tier starb im Elefanten-Hospital von Lampang, der einzigen Institution dieser Art in Südostasien. Das von dem privaten Verein „Freunde des asiatischen Elefanten“ und von der Uno-Ernährungsorganisation FAO unterstützte Krankenhaus pflegt seit 1995 im Norden Thailands sieche, verletzte und verstoßene Dickhäuter.

Pepsi ist der derzeit schwerste Fall. Der fünfjährige Bulle leidet an einer unbekannten Nervenkrankheit in den Beinen und kann sich nicht mehr aufrichten. Um Druckstellen zu verhindern, hängen ihn Helfer jeden Tag für einige Stunden mit einem Seilzug in zwei Schlaufen.

Dennoch ist die Haut entzündet, das Desinfektionsmittel läßt die Schwären violett schimmern. Morgens und abends spritzt Sittidet mit einer riesigen Kanüle mehrere hundert Milligramm Antibiotika in Pepsis faltigen Leib. Hoffnung hat der Arzt nicht: „Ich kann ihn nicht heilen, er wird sterben.“

Das Hospital in Lampang ist symptomatisch für den Notstand der Elefanten in Asien. Weil die Waldgebiete vielerorts Staudämmen, Industrieanlagen, Kautschuk- und Eukalyptusplantagen weichen müssen, schwindet der Lebensraum der Dickhäuter; nur noch rund 45.000 existieren in Asien. In Thailand leben etwa 4000 gezähmte Arbeitstiere und 1500 wilde Elefanten, schätzt Richard Lair, der für die FAO eine Bestandsaufnahme macht.

Zur Jahrhundertwende gab es allein im damaligen Siam 100.000 Arbeitselefanten. Noch heute werden Dickhäuter in Indien, Burma, Laos, Vietnam und Nepal als Last- und Zugtiere eingesetzt. Elefanten können selbst im unwegsamen Gelände bis zu drei Tonnen schwere Lasten ziehen. Gut trainiert, hören sie auf über 30 Kommandos ihrer Führer („Mahouts“).
Für die Besitzer sind die Anfangsinvestitionen groß: Bevor ein junger Elefant ausgebildet ist, müssen er und seine Mutter mehrere Jahre durchgefüttert werden. Die Arbeit mit Bullen ist zudem nicht ohne Risiko. Erst jüngst trampelte einer in Takua seinen Mahout zu Tode, weil er sich beim Werben um eine Kuh gestört fühlte.

In 15 Jahren, fürchtet Sittidets Kollege Preecha Puangkam, werden die Elefanten in Thailand ausgestorben sein. Preecha ist ein erfahrener Veterinär, der sich vor allem um die elf Elefanten des Königs Bhumibol kümmert. Wegen ihrer hellen Haut wird diesen Tieren eine mystische Kraft zugeschrieben. Königin Maya, die Mutter Buddhas, soll während ihrer Schwangerschaft von einem weißen Elefanten geträumt haben. „Hunderte von Jahren haben die Menschen Elefanten als Freunde behandelt. Heute ist diese Beziehung zerbrochen“, klagt Preecha.

Die meisten Arbeitselefanten schleppen illegal geschlagene Edelhölzer aus den Wäldern im Norden Thailands. Immer in Furcht vor Entdeckung, treiben die Mahouts die Tiere zu Höchstleistungen in kürzester Zeit an – Akkordarbeit im Dschungel. Deshalb mischen die Reiter nicht selten Amphetamine in die Nahrung der Tiere, was aber nur kurzfristig wirkt. „Sie sind schwach und zittern am ganzen Körper“, beschreibt Veterinär Sittidet die Symptome der gedopten Elefanten.

Der Mediziner muß häufig ausgelaugte oder süchtige Tiere versorgen. Eine Entziehungskur sei allerdings einfacher als beim Menschen, sagt Sittidet: „Viel Vitamin B und eine Menge Futter. Nach einigen Tagen ist er wieder clean.“
Jährlich gehen rund 200 Tiere an der Schinderei zugrunde, mutmaßt FAO-Experte Lair. Selbst wenn die Polizei das Abholzverbot energischer durchsetzte, würde sich das Schicksal der Elefanten kaum verbessern.

Um rund 30.000 Baht (1800 Mark) im Jahr für das Futter aufbringen zu können, sehen viele Mahouts keinen anderen Ausweg, als mit ihren Tieren in die Städte zu ziehen. In Bangkok trampeln über 40 durch den dichten, abgasgeschwängerten Verkehr. Die Halter profitieren vom Aberglauben der Städter: Einen Elefanten gegen den Uhrzeigersinn zu umrunden soll Glück bringen. Das lassen sie sich etwas kosten.

Der Aufenthalt in den großen Städten ist zwar verboten, doch die Polizisten kassieren meist nur eine kleine Strafe und schicken die Eindringlinge dann zu den Kollegen in den nächsten Bezirk weiter – in der Hoffnung, daß sie bis dahin nicht, etwa durch lautes Hupen erschreckt, Amok laufen.

Eine ungewisse Zukunft steht auch dem von seiner Mutter verstoßenen Baby Umpang bevor, das Helfer im Hospital von Lampang derzeit liebevoll mit Trockenmilch und Bananen päppeln. Später soll es im Trainingszentrum für Elefanten neben dem Hospital lernen, Baumstämme zu ziehen, zu schieben und zu heben. Aber wenn Umpang das dann kann, wird es wohl keine Arbeit für ihn geben.

Quelle: Der Spiegel

 

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