Rang und der Zaun

Nun basteln die also schon fast einen Monat an unserem Haus. Der Boden für das obere Stockwerk ist zementiert. Die Säulen für das Dach stehen. Senkrecht. Uebrigens bin ich jetzt dahinter gekommen, wie die Waagerechte ermittelt wird: ein durchsichtiger Schlauch wird mit dreckigem Wasser gefüllt. Dort wo an beiden Enden der Wasserspiegel im Schlauch ist, ist auch die Waagerechte. Angewandte Physik. Einfach und erst noch genauer als jede Wasserwaage. Auf jeden Fall hat Michael Schumacher und Co. bis jetzt ganze Arbeit geleistet. Diese Baumenschen arbeiten jeden Tag. Auch Samstag und Sonntag. So acht Stunden ungefähr. Allerdings sind die Mittags- und sonstigen Pausen heilig. Es wird immer gegessen in Thailand. Und immer Reis. Und ziemlich lange. Man sitzt am Boden im Kreis und löffelt seinen Reis. Oder die Reissuppe. Das machen wir auch. Vor allem meine herzallerliebste kleine Frau Da hat ständig Hunger. Dann braust sie mit dem Motorrad davon. Und kommt nach einer ziemlichen Weile mit Köstlichkeiten in durchsichtigen Plastiksäcken zurück. Allerdings muss sie mit sich alleine im Kreis sitzen. Ich kann nicht die ganze Zeit essen. Zudem sollte ich dringend abnehmen.

Also. Von Rang habe ich schon berichtet. Er macht den Zaun um unser Grundstück. Dreihundertundacht Meter. Der ist schon fast durch mit den Löchern für die Zaunpfosten. Nicht ohne kritische Bemerkungen unserer Nachbarn hinter dem Haus. Er solle sich gefälligst an die Grenze halten. Das haben die ihm gesagt, als wir nicht dort waren. Er war ziemlich eingeschüchtert als wir ankamen. Meine herzallerliebste kleine Frau Da ist dann schnurstracks zu den lieben Nachbarn gegangen und hat rumgepunkt. Das hättet ihr hören sollen. Sie beruft ein Meeting am Zaun ein. Deutet mit finsterer Miene auf die staatlichen Grenzmarkierungen. Bittet diese Menschen, zuerst nachzusehen, bevor man sich beschwert. Und überhaupt sollen sie gefälligst mit uns sprechen, wenn etwas anliegt. Und nicht mit Rang oder sonstwem. Der Grossvater der Grossfamilie besänftigt seine Untertanen. Alles ist wieder im Lot.
Da ist ein Mann namens Tschau. Er ist von Rang engagiert worden. Hilft beim Löcher machen. Bewegt Erdhügel und ist ganz geschickt im Sträucher und Bäume schneiden. Manchmal übertreibt er auch ein bisschen. Ich bin immer hinter ihm her, um das Schlimmste zu verhüten. Seine Frau heisst Mem. Meine herzallerliebste kleine Frau Da beschäftigt Mem für Pflanzarbeiten. Diese Leute leben ungefähr 300 Meter von uns entfernt. Ohne Strom, fliessendem Wasser und natürlich ohne Telefon. Gekocht wird auf Holzfeuer. Das einzige Fahrzeug der Familie ist eine Art Veloanhänger. Der wird für alle Transporte benützt. Brennholz, Zaunpfosten, Abfall.

Tschau hat so einen Gang, um den ich ihn beneide. Langsamer wäre Stillstand. Er ist sehr schweigsam. Zuerst habe ich gemeint, er sei vielleicht staubtumm. Aber ist er nicht. Er kann schon sprechen, wenn er will. Aber er will recht selten.
Die Kinder der Baumenschen wachsen sozusagen auf der Baustelle auf. Da Mami und Papi arbeiten, sind die Kinder natürlich auch dabei. Ich kann nicht mitansehen, wenn diese Knirpse zwischen Betonmischer und Baumaschinen rumkrappeln. Mit rostigen Nägeln spielen. Mit Armierungseisen auf einander eindreschen. Oder auf dem Baugerüst rumturnen. Aber es sind ja nicht meine Kinder. So wie der Nachwuchs im Auto immer vorne sitzt oder steht. Die Mutter sitzt dann dafür hinten. Oder auf dem Motorrad vor dem Vater oder der Mutter sich am Lenker festklammert. Ich frage mich: hassen die eigentlich ihre Kinder? Oder warum benützen sie diese als Knautschzone oder Airbag? Auch auf dieses ‚warum’ suche ich die Antwort natürlich vergeblich. Aber es geht mich ja eigentlich auch Nichts an….

Ich wollte eigentlich vom Zaun erzählen. Der ist nun schon fast fertig. Alle zwei Meter ein Pfosten. Dann werden Eisendrähte gespannt. So 1500 Meter oder so. Das blöde ist, dass dort wo jetzt der Zaun steht vorher unberührte Natur war. Diese ist zum grössten Teil verschwunden. Wir werden viel tun müssen, um das wieder gut zu machen. Eigentlich schade. Aber es ging halt nicht anders.
Die Nachbarn zur rechten Seite sind nette Leute. Die Schwester von Rang. Und 5 Hunde. Aber von den Hunden in Thailand werde ich eine andere Geschichte erzählen. Also, diese Eu ist zwar lieb. Aber furchtbar laut. Schon wenn sie aus ihrem Haus kommt, fängt sie an mit meiner herzallerliebsten kleinen Frau Da zu sprechen. So über 200 Meter. Und diese Lautstärke behält sie auch bei, wenn sie dann auf unserer Kokosmatte sitzt. Sie hat mir erzählt, dass sie kein Telefon besitzt. Braucht sie auch nicht. Man hört sie sowieso im ganzen Dorf.
Rang macht seine Sache sehr gut. Arbeitet genau und der Zaun ist wirklich gerade und senkrecht. Neben seiner Arbeit am Zaun hat er immer wieder zu tun mit den Baumenschen. Er sorgt für den richtigen Ton im Umgang mit diesen Spezialisten. Ich bin hier viel zu höflich. Mein Thai ist auch zu gut um Eindruck zu machen. Oder so. So ist Rang mein Sprachrohr. Wenn mir was nicht passt, dann sage ich es Rang. Der geht dann zu Gae. Das ist so die Hierarchie auf der Baustelle. Aber das ist auch gut so. Wenn wir im Dezember in die Schweiz zurückkommen, so muss ja jemand unsere Interessen vertreten. Er fängt lieber jetzt schon damit an. Dann kann eigentlich Nichts schiefgehen.
Den Bauleiter habe ich übrigens schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Obwohl wir täglich von früh bis spät auf der Baustelle sind. Plan gibt es auch keinen. Das hat Gae offentlichtlich alles im Kopf. Alle Achtung!
Meine herzallerliebste kleine Frau Da hat übrigens gemeint, ich solle so tun als ob ich drauskomme im Hausbau. Und mit kritischem Blick die Aktivitäten um unser Haus beobachten. Präsenz zeigen. Mal ein paar gescheite Bemerkungen machen. Das macht Eindruck. Hat sie gemeint. Okay, kann ich machen. Kein Problem. So stolziere oder besser stolpere ich oft auf der Baustelle herum. Setze die Kennermiene auf. Runzle hie und da die Stirn. Ziehe die Augenbrauen hoch, wenn Einer oder Eine eine ausserordentliche Pause einlegt. Oder messe irgendwas Unwichtiges nach.

Es ist schon so. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Baumenschen jeweils einen Zahn zulegen, wenn ich ihnen in der Sonne stehe. Oder mich anschicke, die Leiter in den 1. Stock zu besteigen. Das macht sogar richtig Spass. Wahrscheinlich war ich in einem früheren Leben Takttrommler auf einer Strafgaleere. Aber die Thais lassen sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. So bilde ich mir das wahrscheinlich bloss ein. Wir sind auf jeden Fall haargenau im Zeitplan. Und wenn uns nicht der Himmel auf den Kopf fällt, so werden wir im Frühjahr hier einziehen….

UB.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert